Was lange währt, wird endlich gut


Wir haben schon viele Katzen vermittelt. Sehr viele. Wir hatten auch schon viele Katzen, wo sich die Vergesellschaftung als schwierig heraus kristallisierte. Aber die Geschichte von Anne, Ani und Fuchur ist eine sehr besondere und beschreibt die Geduld, die drei Individuen haben mussten, um endlich glücklich zu sein. Danke von Herzen, Anne!

 

Was lange währt, wird endlich gut!

 

Ich verabscheue solche Sinnsprüche, aber manchmal treffen sie zu. 

Dieser Bericht soll all denen zur Ermutigung dienen, bei denen sich die Zusammenführung und Vergesellschaftung von Katzen schwierig gestaltet.

Bei meinen Katzen und mir waren es nun 1,5 Jahre (!), bis wir es zu dem heutigen Punkt geschafft haben, an dem mein Kater die neue Katze endlich akzeptiert und ihr freundlich begegnet.

 

Mein Kater Fuchur war bei Anis Ankunft 14 Jahre alt und hatte vor einiger Zeit seinen heißgeliebten Bruder verloren. Grundsätzlich war und ist Fuchur ein freundlicher Kater, zutraulich und verschmust, mit seinem Bruder hat er sich immer super verstanden. Ich hoffte, dass seine Freundlichkeit auch eine neue Mitbewohnerin umfassen würde. Da Fuchur durchaus auch recht sensibel ist, suchte ich gezielt nach einer Katze die selbst eher zurückhaltend sein und nicht gleich mit überbordender Lebensfreude Fuchur aus all seinen angestammten Plätzen verdrängen würde.

 

Ani hatte nach einem schlimmen Unfall nur noch drei Beine und war, so berichtete mir die Vorsitzende der Streunerhilfe in einem vorab geführten Telefonat, sehr scheu … sehr, sehr scheu. Ich war also vorgewarnt, und doch habe ich das Ausmaß von Anis Furcht noch weit unterschätzt. Ich hatte damit an zwei Fronten zu kämpfen: Fuchur, der durch Anis Einzug völlig aus der Bahn

geworfen und grundlegend verunsichert wurde und Ani in ständiger Erwartung, welche schlimmen Dinge nun als nächstes über sie hereinbrechen würden.

 

Ani kam in der Nacht zum 19. Dezember 2021 bei mir an. Sie bekam ein eigenes Zimmer im Obergeschoss, in dem sie zunächst in Ruhe ankommen sollte. Sie fraß, sie trank, benutzte ihr Katzenklo und verzog sich in das unzugänglichste Versteck, das sie finden konnte. Am Ende fand sie einen Platz hinter dem Schreibtisch und unter der Heizung. Klein, eng, unbequem. Dort blieb sie fast einen Monat. Nur, wenn ich im Erdgeschoss war, kam sie heraus, um zu fressen, zu trinken und ihr Geschäft zu erledigen und gelegentlich auch, um ein wenig das Obergeschoss zu erkunden. Die vielen, vielen Stunden, die ich bei ihr im Zimmer auf dem Boden saß und ihr vorlas oder einfach nur mit ihr redete, machten überhaupt keinen Eindruck auf sie. Kein noch so tolles Leckerchen konnte sie hervorlocken.

Fuchur - zwei Tage lang kam er damit klar, dass da eine fremde Katze in dem Zimmer hinter der verschlossenen Tür war. Er fand es seltsam, zog sich immer weiter aus dem Obergeschoss zurück, bis er ab dem dritten Tag auch nachts nicht mehr zum Schlafen ins Bett kam, sondern unten blieb. Die neue Katze war ihm suspekt und machte ihm Angst.

 

Was folgte waren Monate, in denen Fuchur sich kaum noch nach oben traute, und wenn doch, dann nur geduckt schleichend, jaulend, jammernd, knurrend. Immerhin ging er niemals aggressiv auf den Eindringling los. Statt sein Zuhause zu verteidigen, zog er sich zurück.

 

Trotz all ihrer Angst erwies Ani sich als sehr, sehr neugierig. Und unter all der Angst kam bald ein unglaublich großes Bedürfnis nach Gesellschaft zu Tage. Sie konnte oben am Treppengeländer sitzen und miauend nach Gesellschaft rufen, nur um sofort in ihrem Versteck zu verschwinden, wenn ich dann tatsächlich zu ihr kam.

 

Den ersten großen Fortschritt machten wir Mitte Januar (also nach einem Monat!). Ich saß bei Ani und las ihr vor. Fuchur war unten und miaute, weil er wollte, dass ich zu ihm kam. Ani hörte ihn und kam aus ihrem Versteck - zum allerersten Mal, während ich im Raum war. Sie saß neben dem Schreibtisch und rief nach Fuchur. Sie wollte zu ihm bzw. wünschte sich, dass er zu ihr käme, so sehr sehnte sie sich nach Katzengesellschaft.

Es brach mir in dem folgenden Jahr immer wieder das Herz, wenn Ani vergeblich um Fuchurs Zuneigung warb, denn Fuchur wollte nicht. Er hatte Angst vor Ani. In den nächsten Monaten fasste Ani sehr, sehr langsam aber stetig Vertrauen. Mit der Spielangel konnte ich sie schließlich nach über zwei Monaten hervorlocken. Sie spielt mit großer Begeisterung und hier konnte ich auch sehen, was für eine fröhliche Katze sie im Grunde ist. Aber jede falsche Bewegung scheuchte sie noch immer in ihr Versteck zurück.

 

Da ich sehr viel zu Hause bin, an drei Tagen in der Woche im Homeoffice arbeite, gewöhnte sich Ani langsam aber sicher an mich, traute sich aus ihrem Versteck und sogar aus dem Zimmer, wenn ich im Büro gegenüber saß. Inzwischen schlief sie auch nicht mehr hinter dem Schreibtisch, sondern in einem gemütlichen Sessel.

Nur Fuchur wollte weiterhin nichts von ihr wissen. Wenn sie sich denn mal begegneten, weil Fuchur nach oben kam (er ist extrem anhänglich, und wenn ich oben arbeitete, war er unten allein, was ihm auch nicht gefiel), reagierte er absolut gestresst, fauchte Ani an, jammerte, und hielt es nie lange oben aus. Mit der Zeit kam es vor, dass er kleine Kurzangriffe (ein kurzer Sprung, ein Schlag mit der Pfote) auf Ani startete, um sie in ihr Zimmer zurückzuscheuchen. Ani wehrte sich nie, gab immer nach und rannte in ihr Zimmer zurück. Ich machte mir Sorgen, dass Fuchurs aggressives Verhalten Ani auf die Dauer einschüchtern könnte, oder dass sie doch irgendwann einmal zurückschlagen und es zu einer echten Katzenprügelei kommen könnte. Doch Ani ließ sich weder wirklich einschüchtern noch provozieren. Sie kam immer schnell wieder aus ihrem Zimmer heraus, und versuchte erneut, Fuchur für sich zu gewinnen. Immer, wenn Fuchur in der Nähe war, war Ani völlig aus dem Häuschen vor Freude und tanzte – mit Sicherheitsabstand – vor ihm durch die Gegend.

Mittlerweile war ich auf vernünftige Ratgeberliteratur gestoßen, die ich wirklich nur ganz dringend empfehlen kann:

Jackson Galaxy „Der Katzenflüsterer: Für ein glückliches Katzenleben“

 

Der Autor hat auch einen YouTube-Kanal, auf dem ebenfalls viele hilfreiche Videos zu finden sind, und weitere Bücher veröffentlicht.

Ich setzte so viele der Maßnahmen aus dem Buch um, wie in meinem Fall möglich waren. Die Fortschritte waren vorhanden, aber so langsam und schleichend, dass ich sie kaum wahrnahm. Ich machte mir Sorgen um Fuchur, der sich in seinem Zuhause nicht mehr wohlfühlte, und um Ani, die so deutlich zu erkennen gab, dass sie Katzengesellschaft benötigte.

Ani bewegte sich immer freier im Obergeschoss, Fuchurs Unmutsäußerungen wurden langsam und geringfügig weniger. Trotz der minimalen (!) Erfolge wuchsen meine Zweifel, dass die Situation jemals beiden Katzengerecht werden konnte.

 

Anfang Juni 2022, gab es dann ein erstes richtiges kleines Wunder: Als ich aus dem Bad kam, lag Fuchur auf dem Bett und Ani auf dem Teppich davor! Fuchur duldete Ani in seiner Nähe und jagte sie nicht weg! Da war sie schon fast ein halbes Jahr bei uns!

Natürlich blieb es erst einmal bei diesem einen positiven Ereignis. Ich kämpfte weiter. Fuchur gewann immer mehr Sicherheit, was bedeutete, dass er sich auch wieder mehr im Obergeschoss aufhielt. Zugleich zeigte er sich auch Ani gegenüber selbstbewusster und verscheuchte sie nicht mehr so sehr aus Angst, sondern weil er sie schlicht nicht in seiner Nähe haben wollte. Doch er begann sich auch langsam aber sicher an sie zu gewöhnen. Und Ani ließ sich in ihren Zuneigungsbekundungen nicht (vollständig) beirren, auch wenn sie über die Monate leider trotzdem ein wenig an Enthusiasmus verloren. Immer und immer wieder wurde sie von Fuchur abgewiesen.

 

Anfang August, mehr als sieben Monate nach ihrer Ankunft, durfte ich Ani das erste Mal berühren. Ab da ging es schnell vorwärts mit dem Anfassen, denn Streicheln ist schön. Besonders entspannte sich Ani, wenn Fuchur in der Nähe war. Und er saß oft auf der obersten Treppenstufe, um zu beobachten, wenn ich mit Ani spielte oder sie eben streichelte.

 

Im September begann Fuchur wieder, öfter im Bett im Schlafzimmer zu schlafen, und das, obwohl auch Ani sich inzwischen im Schlafzimmer auf einem Kissen an der Wand häuslich eingerichtet hatte.

Fuchurs Ani-Verscheuch-Aktionen verloren immer mehr an Elan. Es war ziemlich ulkig zuzusehen, wie er halbherzig, fast wie in Zeitlupe seine Pfote hob, um nach ihr zu schlagen. Manchmal landete die Pfote zwar auf Ani, aber eigentlich legte er sie nur auf ihrem Rücken ab.

 

Ab November war deutlich zu merken, dass Fuchur duldsamer gegenüber Ani wurde, und sie sich freier und unbehelligter um ihn herum bewegen durfte. Es dauerte einen weiteren Monat, bis er sie wirklich an sich heranließ. Ab Mitte Dezember durfte sie ihm Köpfchen geben. Fuchur erwiderte die Zuneigungsbekundungen nie. Und wenn es ihm zu viel wurde, biss er Ani kurz in den Nacken oder fauchte auch mal. Für Ani passt am besten der Vergleich mit einer kleinen Kanonenkugel, wenn sie Fuchur entdeckt und auf ihn zuspurtet, um ihn dann manchmal auch wie ein Rammbock umzuschubsen.

 

Man kann sagen, dass ab etwa Mitte Dezember, also ca. 1 Jahr nach Anis Ankunft, Licht am Ende des Tunnels zu sehen und eine merkliche Entspannung im Zusammenleben der beiden Katzen eingetreten war.

 

Es dauerte noch weitere fünf Monate, in denen Fuchurs Toleranz für Ani langsam aber stetig zunahm, bis er Ende Mai zum ersten Mal gleichzeitig mit Ani tagsüber in meinem Bett schlief,  zunächst noch mit etwas Abstand. Und dann plötzlich am 28.05.2023 – ich saß auf dem Bett bei Ani – kam Fuchur dazu und die beiden begannen, sich ausgiebig gegenseitig zu putzen, bevor sie aneinandergekuschelt einschliefen.

Seitdem traut sich Ani auch nachts zu mir und Fuchur ins Bett. Endlich ist Fuchur mit dem Neuzugang ausgesöhnt und Ani hat einen Katzenfreund, auch wenn diese Freundschaft noch viel Ausbaupotential hat.

 

Ich habe in den letzten 1,5 Jahren so viel zur Zusammenführung von Katzen und zum Vertrauensaufbau recherchiert. Ich habe gelesen, dass die Vergesellschaftung auch mal ein paar Wochen oder Monate dauern könne. Ich habe auch so eine schlaue Meinung eines Tierarztes gelesen, dass wenn sich Katzen nach einem Monat nicht vertragen, die Zusammenführung gescheitert ist. Ich kann darüber nur lachen. Es kann auch noch viel länger dauern und trotzdem gelingen.

 

Ich hoffe, dass andere wie ich, die verzweifeln und weinen, weil sie aus Tierliebe eine weitere Katze ins Haus geholt haben, die sich jetzt mit der vorhandenen Katze nicht versteht, diesen Bericht lesen und es weiter versuchen.