Juli
2022:
Ich wusste das ich einen langen Tag vor mir habe, doch das er so lang wird und diese unerwartete Wendung nimmt war so nicht geplant! Es ist der 20. Juni, ich stehe um 3:30 Uhr auf. Heute
werde ich meiner Heimatstadt einen Besuch abstatten, das sind 800 km und 10 Stunden Fahrt. Ich habe es nicht wirklich eilig und alle sagen mir, ich solle nichts überstürzen, aber ich habe
zwei meiner Kinder, die auf einer Großelterntour sind, seit fast einem Monat nicht mehr gesehen. Und vor allem möchte ich meine Oma im Krankenhaus sehen, bevor es zu spät ist, um mich von ihr
zu verabschieden! Ich war schon einmal zu spät, das will ich nicht noch einmal erleben!
Etwa 300 km von zu Hause entfernt hat es ein anderes Lebewesen hingegen wirklich überhaupt nicht eilig.
Vor einem Monat, vielleicht auch vor zwei oder drei Monaten kam er zu unserem Treffpunkt. Er hat nicht die Kraft, sich zu beeilen.
Er trägt etwa 1 kg verfilztes Fell auf dem Rücken, was ihn schon jetzt sehr belastet und die Hitze noch unerträglicher macht. Und nicht nur das: Tausende von Flöhen und nicht wenige Zecken
haben sich in ihm eingenistet, saugen an ihm und treiben ihn zur Eile, nicht zu unserem Treffpunkt, sondern zu den endlosen Jagdgründen zu gehen. Er geht langsam, sein Gang ist schwer, denn
in drei seiner vier Beine stecken Wespen, die er wegen des verfilzten Fells nicht entfernen kann, und sie graben sich immer weiter ein.
Die Wunden, die sie hinterlassen haben, eitern bereits.
Wir trafen uns Mittags. Ich sehe ihn schon von weitem. Er geht mitten auf einer stark befahrenen Hauptstraße. Zuerst sage ich mir - eine Katze, die jetzt weglaufen wird. Ich gehe näher heran
und sehe, dass es etwas Größeres ist. Ich sage zu mir - ein wildes Tier, jetzt wird es in die Büsche laufen. Aber nein, ich komme näher und sehe, dass es ein Hund ist. Wenn es ein Mensch
gewesen wäre, hätte man denken können, dass er versucht, sich umzubringen. Aber Hunde tun so etwas nicht.
Für einen Moment geht mir durch den Kopf, wie meine Lieben sagen: "Schon wieder! Wie kommt es, dass du sie immer wieder findest!" Aber ich habe keine andere Wahl. Ohne nachzudenken biege ich
rechts ab. Ich steige aus und nehme das Hundefutter heraus. Ich sage dem selbstmordgefährdeten Häufchen Elend, dass wir einen Termin haben, und er antwortet mit einem tiefen Seufzer. Ein
vorbeifahrender Lastwagen setzt unserer Begegnung für einen Moment kein schnelles Ende, aber er fährt an dem kleinen Rastafari vorbei und er kommt zu mir um zu essen. Als er es einatmet,
schaffe ich es, ihn ins Auto zu bekommen.
Von da an sprechen die Bilder Bände über seine anschließende Begegnung mit den wunderbaren Ärzten in der Klinik für gute Laune.